Trinkwasserverordnung

Missbrauch des VorsorgeGrundsatzes

durch die Behörden


Die EU will die Qualität von Leitungswasser erhöhen

 

Wie die Welt berichtet, soll die Trinkwasserrichtlinie 98/83/EG aus dem Jahre 1998 reformiert werden, um die Qualität von Leitungswasser weiter zu erhöhen. Doch manche Staaten halten das für unnötig – und werfen Brüssel einen Eingriff in ein bestens funktionierendes System vor. Den Text im Wortlaut finden Sie hier:

 

https://www.welt.de/wirtschaft/article189832375/Trinkwasser-EU-will-Qualitaet-von-Leitungswasser-reformieren.html 

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Rundbrief des Gesundheitsamtes Weilheim-Schongau zur EU-Richtlinie 2015/1787
Informationen zur Erteilung von Genehmigungen standortrelevanter Probenahmeplanungen in Verbindung mit vom Betreiber zusätzlich vorzulegender Risikobewertungsberichte. Siehe dazu auch unseren Kommentar.
GA_Dr.Günther_TrinkWV_8.2.2018.pdf
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Leitlinien für die risikobewertungsbasierte Anpassung der Probennahmeplanung für eine Trinkwasserversorgungsanlage (RAP) nach § 14 Absatz 2a bis 2c TrinkwV des Umwelt Bundesamtes vom 03.01.2018
leitlinien-zu-rap-risikobewertungsbasier
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Trinkwasserverordung (TrinkwV) von 2001 in der Fassung vom 3. Januar 2018
TrinkwV.pdf
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Richtlinie 2015/1787 vom 6. Oktober 2015 zur Änderung der Anhänge II und III der TrinkwV über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch, die bis Oktober 2017 in nationales Recht umgesetzt sein muß. Siehe vor allem die Abschnitte in blau.
TWVO_EU_Richtl.2015:1787_blau.pdf
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 Kommentar zur Umsetzung der EU-Richtlinie 2015/ 1787 in nationales Recht

 

Es sollte eigentlich keine Überraschung mehr sein, daß es nicht unbedingt einfacher wird, wenn EU-Richtlinien in der BRD in nationales Recht umgesetzt werden, zumindest wenn die TrinkwV betroffen ist. Was die Verfasser jedoch hier vorgelegt haben, läßt, was etwaige Anforderungen an Kompliziertheit betrifft, keinerlei Wünsche mehr offen. Allerdings kehrt die EU-Richtlinie selbst ihr ursprüngliches Anliegen nach mehr Flexibilisierung und Kosteneinsparung fast ins Gegenteil, wenn man sich dann die Ausführungen im Detail der EU-Richtlinie genauer anschaut. 

 

(... wird fortgesetzt)

 

 Aufgaben der Trinkwasserverordnung

 

Seit bald 20 Jahren sichert die Trinkwasserverordnung (TrinkwV) bundesweit die Qualität unseres Trinkwassers, welches von öffentlichen oder privaten Versorgern zur Verfügung gestellt wird. In dieser Verordnung ist genauestens festgelegt, welche Stoffe wie oft untersucht werden müssen. Dies ge-schieht auf Basis zweier verschiedener Untersuchungsarten:

 

Einer routinemäßigen Untersuchung "Parameter der Gruppe A" (für öffentliche Wasserversorg-ungen ab 1000 cbm Jahresverbrauch je Quartal), bei der das Wasser auf Keime untersucht wird. Die bisher damit vorgeschriebene Untersuchung auf Ammonium entfällt und wurde durch die Untersuchung auf Enterokokken ersetzt.

 

Einer umfassenden Untersuchung "Parameter der Gruppe B", bei der die in den Anlagen der Trinkwas-serverordnung gelisteten physikalisch/chemischen Parameter auf ihre Grenzwerteinhaltung überprüft werden. Seit 2018 können die Gesundheitsämter die Untersuchung weiterer, nicht gelisteter Schad-stoffe verlangen, wenn das Risiko einer Gesundheitsgefährdung nachgewiesen ist.

 

Hohe Untersuchungskosten und klingende Kassen

 

Kleine Wasserversorgungsanlagen blieben bisher von den teuren umfassenden Untersuchungen, die jedes Mal bis zu 1.000 € kosten können, weitgehend ausgenommen. Dieses bewährte Verfahren scheint sich jedoch seit 2013 geändert zu haben, nach der dritten europäischen Änderungsverordnung, die bis 2015 in nationales Recht umzusetzen war. Viele deutsche Gesundheitsämter, ebenso das im Landkreis Weilheim-Schongau, fingen zu Beginn des Jahres 2013 damit an, auch von privaten und kleinen öffentlichen Wasserversorgungen und völlig ungeachtet der jeweilig örtlichen Gegebenheiten, diese umfassende Untersuchung in dreijährigen Jahreszyklen zu verlangen. Danach hätte jeder im Grünen gelegene Bauernhof mit einem eigenen Brunnen sein Trinkwasser aufwändig und wiederholt zu untersuchen, zum Beispiel auf Schadstoffe industrieller Abwässer, die in vielen Regionen gar nicht vor-kommen können.

 

Bereits seit Jahrzehnten wurden und werden bundesweit, ohne Überprüfung der jeweiligen Relevanz vor Ort, Schadstoffe untersucht, die allein der Wertschöpfung der Labore und des Staates dienen und keinerlei echte Gesundheitsvorsorge darstellen. Die jetzt auf drei Jahre verkürzten Intervalle für die umfassenden, wesentlich teureren Untersuchungen der Gruppe B, bescheren den wenigen Profiteuren ein wahrlich glänzendes Geschäft zu Lasten von vielen Bürgern und Kommunen.

 

Bayerischer Verein wehrt sich gegen Mißbrauch

 

Als der gemeinnützig anerkannte Verein für sauberes Wasser e.V., zuständig für die Trinkwasser-versorgung des Ortsteiles Riesen der Gemeinde Steingaden in Oberbayern, mit Beginn des Jahres 2013 auch und gleich mehrfach eine solche Aufforderung erhielt – Zwangsgeldandrohung im Verwei-gerungsfall mit bis zu 1000 € Strafe für jeden nicht untersuchten Stoff – wurde diese Zwangsmaß-nahme durch den Verein grundsätzlich infrage gestellt und im Sinne der Anordnung verweigert.

 

Aufdeckung des Tatbestandes und Lösungsweg (Stand November 2018)

 

Mit fachlicher Unterstützung eines unabhängigen Sachverständigen und im Beisein einer Vertre-terin des Gesundheitsamtes wurde dann im Herbst 2014 auf Kosten des Vereins jeder der zu unter-suchenden Stoffe aus der TrinkwV auf seine Relevanz für die Wasserversorgung Riesen überprüft. Das Ergebnis: Weit mehr als vierfünftel der in den Anlagen der TrinkwV gelisteten Stoffe der Gruppe B haben für die Versorgung des Ortes Riesen keinerlei gesundheitlichen Vorsorgenutzen und brauchten in den Folgejahren nicht mehr untersucht zu werden. Zum Beispiel ist eine Untersuchung auf Pflan-zenschutzmittel verzichtbar, wenn seit Jahrzehnten im Wassereinzugsbereich keinerlei Pflanzen-schutzmittel ausgebracht worden sind und dies bereits durch mehrmalige Probenahmen immer wieder nachgewiesen worden ist. Auf Wunsch kann dieses Parameter-Protokoll per E-Mail angefordert wer-den. Es kann aber lediglich als Anhaltspunkt dienen und darf auf keinen Fall  1 : 1  übernommen werden, weil es nur für die Riesener Quellsituation gültig und anwendbar ist.

Die neue EU-Richtlinie und ihre Umsetzung in deutsche Recht

 

Die jüngste, vierte Änderung der TrinkwV nach Vorgabe der EU-Richtlinie 2015/1787, die bis Ende Oktober 2017 in nationales Recht umgesetzt sein sollte, wurde nun am 03. Januar 2018 veröffentlicht. Die Inhalt dieser Richtlinie hinterläßt allerdings einen zwiespältigen Eindruck: Auf der einen Seite wird eine weitgehende Flexibilisierung der Überwachungsparameter und der Probenahmehäufigkeit ange-strebt und sogar vorgeschrieben, Zitat: „Bei der Wahl der geeigneten Parameter für die Über-wachung müssen die lokalen Gegebenheiten für jedes Wasserverteilungssystem berücksichtigt wer-den.“ (Vgl. EU-Richtlinie 2015/1787, Anhang II, Überwachung, Teil B, Parameter und Häufigkeiten, 1. All-gemeiner Rahmen). Auf der anderen Seite wird diese Möglichkeit der Verringerung der Parameter in Bezug auf die örtliche Relevanz durch aufwendige Prüfungsverfahren wieder zunichte gemacht. Seit Januar 2018 gibt es nun entsprechend einen vom Umweltbundesamt herausgegebenen, 11-seitigen Leitfaden "Leitlinien für die risikobewertungsbasierte Anpassung der Probennahmeplanung für eine Trinkwasserversorgungsanlage (RAP) nach § 14 Absatz 2a bis 2c Trinkwasserverordnung", der sich, wie schon am Titel unschwer zu erkennen ist, als nicht ganz einfache Maßnahme erweist. Die bisher-ige Praxis der nicht auf ihre Notwenigkeit hin kontrollierten Pauschaluntersuchungen, die seit Jahrzehn-ten vor allem der Wertschöpfung des Staates und der zuständigen Labore gedient hat, kann zwar jetzt von jedem Wasserversorgungsunternehmer auf ihre örtliche Relevanz hin überprüft werden, allerdings ist der technische und finanzielle Aufwand dafür derart groß, daß die meisten Versorger vermutlich abwägen werden, welches Vorgehen am Ende für sie günstiger ist. 

 

Denn um diese Risikoanalyse und -bewertung jeweils vornehmen zu können, bräuchte es qualifiziertes Personal (z.B. Hydrogeologen, Lebensmittelchemiker, Wasserwirtschaftler), welches vermutlich in den Gesundheitsämtern nicht zu finden sein wird.  Und  eine Leitlinie ist zudem weit davon entfernt, ein Gesetz zu sein.